Varizellen (Windpocken, Feuchtblattern)
Windpocken sind eine von Viren ausgelöste Infektionskrankheit, die vor allem im Kindesalter auftritt. Sie ist äußerst leicht übertragbar: Schon ein Luftzug genügt, um empfängliche Personen, die sich z. B. bei einer offenen Tür in einem Nebenraum aufhalten, anzustecken – daher auch die deutsche Bezeichnung „Windpocken“. Empfänglich sind alle Menschen, die noch keine Windpocken durchgemacht haben oder nicht geimpft sind: Sie erkranken mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit, wenn sie zum ersten Mal mit dem Virus in Kontakt kommen. Die Erkrankung verläuft bei Jugendlichen und bei Erwachsenen schwerer als bei Kleinkindern. Bei schwangeren Frauen (v. a. am Beginn der Schwangerschaft) kann eine Infektion zu bleibenden Schäden oder zum Tod des ungeborenen Kindes führen. Das Varizella-Zoster-Virus wird durch Tröpfchen aus dem Nasen-Rachenraum sowie direkt aus den Bläschen auf der Haut von Mensch zu Mensch übertragen. Meist verläuft die Krankheit mit stark juckenden Bläschen und heilt innerhalb von 10 Tagen folgenlos aus. Bei etwa 1 Prozent der Fälle treten Komplikationen auf, die im Fall von eitrigen Infektionen bzw. Gehirnbeteiligung (Enzephalitis) bedrohlich sind. Das Virus überlebt im menschlichen Körper lebenslang und kann später das Krankheitsbild der Gürtelrose (Herpes Zoster) auslösen. Die Behandlung mit Virusmedikamenten ist möglich (im Gegensatz zu praktisch allen anderen Virus-Erkrankungen außer Herpes), aber sie muss sehr früh (innerhalb von 24 Stunden) einsetzen, um wirksam zu sein.
Eine Impfung (mit Lebendimpfstoff) schützt zuverlässig vor Windpocken (> 95 Prozent).
Schüler/Jugendliche, die noch keine Varizellen gehabt haben, sollen daher geimpft werden.
Varizellen im Detail
Erreger: Varicella-Zoster-Virus, Familie der Herpesviridae
Erregervorkommen: Mensch
Verbreitung: weltweit
Übertragung: Tröpfchen- und Schmierinfektion, Auftreten saisonal gehäuft im Winter und zeitigem Frühjahr
Inkubationszeit: 8 bis 28 Tage (in der Regel 14 bis 16 Tage)
Ansteckungsrisiko (Kontagionsindex): äußerst ansteckend, 90 bis 100 Prozent
Krankheitsbild: plötzlich einsetzender Hautausschlag (Papeln, die sich rasch in Bläschen mit serösem Inhalt umwandeln) und gleichzeitig Fieber (bis 40 Grad möglich). Der Ausschlag beginnt im Gesicht, auf der Kopfhaut und breitet sich über den Rumpf zentripetal aus. Je älter Erkrankte, desto stärker Läsionen. Komplikationen wie Mittelohr-, Lungen-, Nieren- und vor allem auch Kleinhirn- (1 pro 4000 Erkrankte, meist gute Prognose) und Gehirnentzündung (1: 25000 schlechte Prognose) kommen vor. Sekundärinfektionen der Haut (Staphylodermien) sind häufig. Die Komplikationsrate bei immunkompetenten Patienten ist im 1. Lebensjahr am höchsten und steigt wieder ab dem 4. Lebensjahr mit zunehmendem Alter an. Besonders bei Neugeborenen, Personen mit geschwächter Immunabwehr und Patienten unter einer immunsuppressiven Therapie gibt es schwere Verläufe. Bei Schwangeren besteht Gefahr für den Fötus (8. bis 21. SSW, fetales Varizellensyndrom, 30% Letalität) bzw. kurz vor und nach der Geburt (neonatale Varizellen – je nach genauem Erkrankungsbeginn vor der Entbindung unterschiedlich schwere Verläufe).
Vorbeugung (Prophylaxe): Schutzimpfung mit Lebendimpfstoff, auch als Kombinationsimpfstoff mit MMR
Heininger, U.: Handbuch Kinderimpfung, Heinrich Hugendubel Verlag, Kreuzlingen/München 2004
DGPI Handbuch Infektionen bei Kindern und Jugendlichen, 6. Auflage, Thieme Verlag 2013
(Ergänzt und überarbeitet von Prof. Dr. Diether Spork und Dr. Andreas Trobisch)